02.6

Bürokratieabbau beherzter angehen

Der bürokratische Aufwand für Bäckereien ist in den letzten Jahren gewachsen und stellt insbesondere kleine Bäckereibetriebe vor unzumutbare Hürden: Verschärfte Aufzeichnungspflichten durch das Mindestlohngesetz, die Lebensmittelinformationsverordnung, immer komplizierter werdende Deklarationspflichten und die erheblich erweiterten Informationspflichten nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sind nur einige Beispiele. Die Situation ist absurd geworden: Der Laie macht sich keinen Begriff davon, was zum Brot- und Brötchenbacken heute alles gehört.

Weniger ist ein Muss

Die Bürokratiebelastung der Betriebe hat einen nicht mehr hinnehmbaren Punkt erreicht. Die Bundesregierung bekennt sich zwar zum Ziel des Bürokratieabbaus und hat im Zuge dessen in den letzten Jahren bereits zwei Bürokratieentlastungsgesetze beschlossen. Diese Entlastungen wurden jedoch durch neue Regelungen kompensiert beziehungsweise übertroffen. Das seit Längerem geltende 1:1-Prinzip, sprich die Umsetzung europäischer Vorgaben ohne zusätzliche nationale Bürokratiebelastungen, ist vom Gesetzgeber in den letzten Jahren mehrfach missachtet wurden. Beispielhaft sei hier auf das Lebensmittelkennzeichnungsrecht verwiesen, das europäisch harmonisiert werden sollte, aber durch eine nationale Durchführungsverordnung mit zahlreichen weiteren, vom Normadressaten nicht nachzuvollziehenden und teilweise dem Bestimmtheitsgebot widersprechenden Regelungen verschlimmert wurde. Oder die Regelung zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten in § 38 BDSG im Vergleich zur europäischen Vorgabe in Art. 37 Abs.1 DSGVO. Der Abbau von Bürokratie bleibt aus Sicht des Zentralverbandes eine der drängendsten Staatsaufgaben.

43 Forderungen zur Bürokratieentlastung

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vom Frühjahr 2018 sieht ein Bürokratieentlastungsgesetz III vor. Der Zentralverband hat diese Absichtsbekundung der Großen Koalition nachdrücklich begrüßt. Es galt, dieses zügig und mit realen, auch für kleine und mittelständische Unternehmen spürbaren Entlastungen umzusetzen. Dazu hatte der Zentralverband bereits im März 2018 Politik und Ministerien einen Forderungskatalog mit detaillierten Vorschlägen zum Bürokratieabbau übersandt. Darin führte der Zentralverband – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – 43 Bereiche auf, in denen Möglichkeiten zur Bürokratieentlastung gesehen werden. Diese sind hier abrufbar:

https://www.baeckerhandwerk.de/fileadmin/REDAKTION/pdf/Stellungnahmen/ZV_Bäckerhandwerk_Vorschläge_für_den_Abbau_von_Bürokratie_220318.pdf

Um das Thema weiter voranzubringen und in seiner Dringlichkeit deutlich zu machen, führte der Zentralverband im Berichtszeitraum zahlreiche Gespräche mit Regierungsvertretern und Bundestagsabgeordneten. Zudem stellte er seine Vorschläge zum Bürokratieabbau weiteren Verbänden (u. a. ZDH, DIHKT, VBW, DEHOGA) zur Verfügung. Auch an zwei Gesprächsrunden zum Bürokratieabbau im Bundeskanzleramt nahm der Zentralverband teil.

ZDH macht Bürokratieabbau zum Schwerpunktthema

Im Januar 2019 gab der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) bekannt, das Thema „Bürokratieabbau und betriebliche Entlastung“ zu seinem diesjährigen Themenschwerpunkt zu machen. Er wird dabei vom Zentralverband und allen Verbänden unterstützt. Vertreter des Zentralverbandes nahmen an einem rechtspolitischen Podium und Experten-Workshop des ZDH zum Thema teil und brachten sich dort ein.

Vorschläge des ZV im Plenum des Bundestages

Im April 2019 ging Manfred Todtenhausen (MdB) in einer von der FDP angestoßenen Bundestagsdebatte auf die Vorschläge des Bäckerhandwerks zum Bürokratieabbau im Plenum des Deutschen Bundestages ein. Die Rede ist unter https://www.bundestag.de/mediathek/?videoid=7341565#url=bWVkaWF0aGVrb3ZlcmxheQ==&mod=mod536668 abrufbar.

Beschluss des Europäischen Parlaments zum digitalen Tachografen

Im Berichtszeitraum war in Brüssel ein Gesetzgebungsverfahren anhängig, in dem die Ausdehnung der Pflicht zum Einbau und Nutzung digitaler Tachografen auf Fahrzeuge zwischen 2,4 und 3,5 Tonnen debattiert wurde. Das Europäische Parlament beschloss Ausnahmen von der Pflicht zum Einbau von digitalen Tachografen für Fahrzeuge zwischen 2,4 und 3,5 Tonnen. Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, wertet die Entscheidung als Erfolg: „Mit dem Beschluss konnten wir weitere Bürokratie und Belastungen fürs Bäckerhandwerk abwenden“, sagte er. „Wir konnten erreichen, dass die Ausdehnung der Pflicht zum Einbau von digitalen Tachografen zwischen 2,4 und 3,5 Tonnen auf den grenzüberschreitenden Warentransport beschränkt ist.“ Von dieser Erweiterung sind vor allem Speditionen betroffen, das Bäckerhandwerk ist weitestgehend von der Ausweitung der Tachografenpflicht ausgenommen. „Und die Ausnahmeregelung für Handwerksbetriebe wurde generell auf 150 Kilometer ausgedehnt – auch das halten wir für positiv, denn sie gilt selbstverständlich auch für Handwerksbäckereien“, so Schneider weiter.

Trotz der positiven Nachricht bleibt ein Wermutstropfen: Das Problem, dass die Handwerkerausnahme von Behörden in mehreren Bundeländern nach wie vor viel zu eng ausgelegt wird, wurde mit der vom Europäischen Parlament beschlossenen Änderung nicht aus der Welt geschafft. Folge: Fahrer und Betriebe des Bäckerhandwerks fallen nach Auffassung der dortigen Behörden unter die Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Schulungspflichten nach Fahrpersonalverordnung und Berufskraftfahrerqualifikationsgesetz. Hauptgeschäftsführer Schneider dazu: „Wir fordern weiter eine Korrektur dieser viel zu engen Auslegung durch den Gesetzgeber. Bei Gesprächen in Brüssel mit Beamten der EU-Kommission wurde uns gesagt, dass diese enge Auslegung europarechtlich nicht geboten ist, und empfohlen, in Berlin um Korrektur zu bitten. Diese könnte durch einen Anwendungserlass des Bundesverkehrsministeriums oder durch eine Klarstellung durch den Gesetzgeber erfolgen. Mit dieser Forderung haben wir uns bereits mehrfach an die Politik und die zuständigen Ministerien in Berlin gewandt und werden dies weiter tun.“

Die Stellungnahme des Zentralverbandes hierzu finden Sie hier:

https://www.baeckerhandwerk.de/politik-presse/pressemitteilung/aufatmen-im-handwerk-beschluss-des-europaeischen-parlaments-zum-digitalen-tachographen/

Bürokratieentlastungsgesetz (BEG III)

Die Große Koalition beschloss Mitte Mai 2019, ein weiteres Bürokratie-Entlastungsgesetz (BEG III) auf den Weg zu bringen. Der Zentralverband begrüßte das und nahm in einer Pressemitteilung (https://www.baeckerhandwerk.de/politik-presse/pressemitteilung/einigung-zum-buerokratieabbau-der-zentralverband-begruesst-entscheidung-der-grossen-koalition/) dazu Stellung.

Verabschiedung des BEG III: Kleine Trippelschritte statt großer Wurf

Am 18. September 2019 beschloss das Bundeskabinett den Entwurf des dritten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG III). Der Zentralverband, dem der Gesetzentwurf von der Bundesregierung in der Woche zuvor mit dreitägiger Stellungnahmefrist zugesandt wurde, kritisiert den Gesetzentwurf und das Verfahren der Verbändeanhörung scharf. Verbandspräsident Michael Wippler erklärt hierzu: „Zwar gehen mehrere der vorgesehenen Regelungen in die ‚richtige Richtung‘. Der Gesetzentwurf bleibt aber weit hinter dem zurück, was im Bereich der Bürokratieentlastung möglich und dringend notwendig wäre“. Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider ergänzt: „Positiv bewerten wir die geplante Erleichterung bei der Archivierung von elektronisch gespeicherten Steuerunterlagen. Neben einer Entlastung der Unternehmen wird diese auch Anreize für die Finanzverwaltung geben, Betriebsprüfungen zeitnah anzugehen. Das war einer unserer 43 Vorschläge zum Bürokratieabbau, die wir bereits im März 2018 bei der Bundesregierung und Politik eingereicht und seitdem in zahlreichen Gesprächen mit der Politik wiederholt hatten. Insgesamt ist der Gesetzentwurf aber sehr enttäuschend. Wir haben eine spürbare Entlastung gefordert, die können wir leider nicht erkennen. Das Gesetz wird sich so im Arbeitsalltag der Bäcker kaum bemerkbar machen. Der Bundestag muss jetzt im parlamentarischen Verfahren nachbessern. Vorschläge dazu gibt es genug. Abgesehen davon ist die dreitägige Stellungnahmefrist, die den Verbänden vergangene Woche von der Bundesregierung zum Gesetzentwurf eingeräumt wurde, ein Unding“.

Bereits in der Woche vor der Verabschiedung im Bundeskabinett hatte der Zentralverband in einer Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung den Gesetzentwurf als nicht ausreichend kritisiert. Am 17. September, einen Tag vor der Verabschiedung im Bundeskabinett, wiederholte der Zentralverband bei einem persönlichen Treffen mit Hendrik Hoppenstedt, dem Staatsminister bei der Bundeskanzlerin und Koordinator der Bundesregierung für Bürokratieabbau, diese Kritik nochmals. Staatsminister Hoppenstedt besuchte mit Friedemann Berg, Geschäftsführer beim Zentralverband, den Betrieb von stv. Obermeister Lars Siebert, der als Inhaber von Berlins ältester Handwerksbäckerei umfänglich aus der Praxis über die Sorgen und Nöte der Branche berichten konnte. Bäckermeister Lars Siebert erklärte den Arbeitsalltag der Handwerksbäckereien und beschrieb dem Staatsminister, welche bürokratischen Regelungen besonders belasten – von den Allergenkennzeichnungspflichten, den Gefährdungsbeurteilungen nach Arbeitsschutzgesetz und der Betriebssicherheitsverordnung bis zu den Meldepflichten gegenüber den Krankenkassen. Die zahlreichen Bürokratiepflichten könnten dazu führen, dass Betriebe aufgeben oder keinen Nachfolger fänden, so der Betriebsinhaber.

Staatsminister Hoppenstedt machte deutlich, dass er sich der Probleme bewusst sei: „Wir wissen, dass die Kumulation das Problem ist.“ Er versicherte im Gespräch, weiter mit dem Zentralverband im Austausch zum Thema Bürokratieabbau zu bleiben.

Ausblick:

Forderungen an die Politik

Der Zentralverband begrüßt den Dialog mit der Bundesregierung zu dem Thema grundsätzlich, fordert von dieser aber gleichzeitig eine konsequente Fortsetzung der Bestrebungen zum Bürokratieabbau – das heißt spürbare Reduzierung vorhandener und strikte Vermeidung neuer bürokratischer und finanzieller Belastungen der Betriebe, um Benachteiligungen des Mittelstands zu vermeiden. Wenn der Mittelstand in der Form, wie wir ihn heute kennen, erhalten bleiben soll, müssen neue bürokratische Belastungen des Mittelstandes künftig strikt vermieden und vorhandene spürbar reduziert werden. Dazu muss das BEG III nachgebessert werden. Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag, wie etwa jene zur Regelung befristeter Arbeitsverhältnisse, sind damit nicht vereinbar.

Des Weiteren fordert der Zentralverband eine Ausdehnung der Bürokratiebremse auf sämtliche Folgekosten von Gesetzen. Gesetze müssen verständlicher formuliert sein, sodass sie in den Betrieben ohne viel Aufwand angewendet werden können. Erforderlich ist darüber hinaus eine zielgenaue Gesetzgebung, die sich an jene richtet, für die sie gedacht ist. Bisherige Gesetzgebungsverfahren zielen häufig auf die Regulierung von großen Unternehmen ab, werden jedoch dann immer wieder auch auf kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) erstreckt. Um Benachteiligungen des Mittelstands zu vermeiden, sollten stets sog. KMU-Tests durchgeführt werden, mit denen die Gesetzesfolgen für KMU geprüft werden können. Notwendig ist, dass diese Tests auch von allen Ministerien konsequent angewendet werden, um das Prinzip „Think small first“ in der deutschen Gesetzgebung fest zu verankern und praktisch werden zu lassen. KMU sollten künftig von Bürokratiepflichten neuer Gesetzesvorhaben regelmäßig ausgenommen werden.

Die Forderungen des Zentralverbandes auf einen Blick:

  • Verabschiedung des BEG III mit einer realen und spürbaren Entlastung für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU)
  • Konsequente Fortsetzung der Bestrebungen zum Bürokratieabbau. Neue bürokratische Belastungen müssen künftig strikt vermieden werden
  • Ausdehnung der Bürokratiebremse auf sämtliche Folgekosten gesetzlicher Bestimmungen. Zudem müssen Gesetze verständlicher formuliert sein, sodass sie in den Betrieben ohne großen Aufwand umgesetzt werden können
  • Zielgenaue Gesetzgebung, die diejenigen anspricht, für die sie gemacht ist
  • Das Prinzip „Think smallfirst“ in der deutschen Gesetzgebung fest verankern: konsequente Durchführung von KMU-Tests, mit denen die Gesetzesfolgen für kleine und mittlere Unternehmen geprüft werden
  • Regelmäßige Ausnahme der KMU von Bürokratiepflichten neuer Gesetzesvorhaben