02.1

Krisenzeiten

Eine starke Interessenvertretung in der Politik stellt sicher, dass die Anliegen der Handwerksbäcker gehört werden. Im Berichtszeitraum stuft die Politik das Bäckerhandwerk als systemrelevant ein. Ob die Versorgung mit Gas im Fall von Gasknappheit sichergestellt ist, lesen Sie hier.

Unterstützung der Betriebe in der Corona-Krise

Auch im Berichtszeitraum belasteten die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie die Betriebe des Bäckerhandwerks erheblich. Der Zentralverband unterstützte – wie schon in den eineinhalb Corona-Jahren zuvor – die Betriebe durch: 

  • aktuelle Informationen in seinem ZV-Newsletter „Krusten & Krumen“ und in ZV-Sondernewslettern
    Der Zentralverband verschickte im Berichtszeitraum einmal monatlich ZV-Newsletter an die Innungsbetriebe im Bundesgebiet, deren E-Mail-Adressen dem ZV vorliegen (zurzeit etwa 3.500). Hinzu kamen mehrere Sondernewsletter. Darin informierte der Zentralverband über aktuelle Themen von bundesweiter Bedeutung, unter anderem über die von der Politik beschlossenen Corona-Schutzmaßnahmen und zahlreiche weitere betriebsrelevante Themen.
  • die Bereitstellung von Postern und Plakaten für die Betriebe
  • zwei Online-Seminare zur praktischen Umsetzung der 3G-Regel am Arbeitsplatz
    An den Online-Seminaren nahmen fast 200 Betriebe teil
  • die Interessenvertretung gegenüber der Politik
    Der Zentralverband setzte sich im Berichtszeitraum in der Politik intensiv und mit Erfolg dafür ein, dass Betriebsabläufe erleichtert werden: Am 3. April 2022 entfielen in fast allen Bundesländern etliche Corona-Schutzmaßnahmen. Für die Mitarbeiter und Kunden der Betriebe gelten seitdem keine Zugangsbeschränkungen und keine Maskenpflicht oder Testpflicht mehr. Die Betriebe können dennoch weiterhin Schutzmaßnahmen im Rahmen ihres Hausrechts anordnen. Am 25. Mai 2022 lief auch die Corona-Arbeitsschutzverordnung des Bundes aus. Sie verpflichtete Betriebe, „Basisschutzmaßnahmen“ im Rahmen der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen.  

Die Stimmung in der Gesellschaft gegen Ende des Berichtszeitraums kann wie folgt zusammengefasst werden: „Corona ist vorbei.“ Aus Sicht des Zentralverbandes bleibt allerdings Vorsicht angebracht: Bundesweit ist die Sieben-Tage-Inzidenz nach wie vor hoch, Tendenz steigend. Der Zentralverband hat daher den Mitgliedsbetrieben über seinen bundesweiten Newsletter empfohlen, im Betrieb weiter (freiwillig) die AHA+L-Regel zu berücksichtigen. Im zweiten Quartal war die Einschätzung von führenden Politikern und Wissenschaftlern, dass wir aktuell nur eine „Verschnaufpause“ von Corona haben und das Virus im Herbst zurückkommt. Fraglich bleibt, ob mit einer milden oder neuen und heftigeren Variante zu rechnen ist.

Die Position des Zentralverbandes und der deutschen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände 

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks unterstützt grundsätzlich den Kurs der Bundesregierung. Er verurteilt den Angriff gegen die Ukraine und unterstützt die Bundesregierung in ihrer Entschlossenheit, der Aggression gegenüberzutreten. Die von der Bundesregierung angekündigte Neuorientierung in der Außen- und Verteidigungspolitik und die verhängten Sanktionen gegen Russland und Belarus sehen wir als eine notwendige Reaktion an. Klar ist dabei auch, dass es Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat nicht zum Nulltarif gibt. Die Verteidigung dieser Werte bringt wirtschaftliche und soziale Herausforderungen mit sich. Das Deutsche Bäckerhandwerk ist bereit, sich ihnen zu stellen und seinen Beitrag zu leisten, um sie zu bewältigen.

 

Russland-Ukraine-Krieg 

Der Angriff Russlands auf die Ukraine und mögliche Folgen 

Am 24. Februar 2022 begann mit einem Angriff russischer Truppen auf ukrainisches Staatsgebiet der aktuelle Russland-Ukraine-Krieg, seitdem steigen die Energie- und Rohstoffpreise noch drastischer als zuvor. Westliche Demokratien wie Deutschland verurteilen das Handeln Russlands scharf. Die Staatengemeinschaft verhängte Wirtschaftssanktionen gegen Russland und prüfte weitere Maßnahmen, um die Ukraine zu unterstützen. Politik und Medien forderten in den Monaten nach dem russischen Überfall auf die Ukraine ein Gasembargo, das heißt einen Stopp der russischen Erdgaslieferungen. Im Umkehrschluss muss seit Beginn des Konflikts jederzeit mit einem Gaslieferstopp Russlands gerechnet werden. In der Branche sorgt man sich deshalb vor einem möglichen Gaslieferstopp: Ungefähr 60 bis 70 % der Bäckereien nutzen Gasbacköfen und benötigen für den Betrieb ihrer Backöfen dringend Gas. Erhalten die Betriebe weniger oder kein Gas mehr, drohen irreparable Schäden und Lücken in der Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln. 

 

„Starke Wirtschaft, starkes Land“ 

Gleichzeitig gilt: Nur wenn die Wirtschaft stark gehalten wird, wird das Land stark bleiben. Die Politik muss darauf achten, dass unsere Wirtschaftskraft nicht geschwächt wird. Nur eine starke Wirtschaft garantiert Sicherheit und versetzt den Staat in die Lage, die Ukraine zu unterstützen. Nur so bleibt Deutschland ein starker Partner in der EU und NATO. Eine starke Wirtschaft schafft und erhält Wohlstand und sozialen Frieden. Fehlt sie, wird auch der Sozialstaat nicht mehr leistungsfähig sein. Daran muss sich alles politische Handeln orientieren.  

Einsatz des Zentralverbandes für die Interessen der Betriebe  

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks wandte sich in den Wochen und Monaten nach dem 24. Februar 2022 mehrfach an die Bundesregierung und setzte sich für folgende Belange ein:

  • gegen zusätzliche Belastungen der Betriebe (Steuererhöhungen, Erhöhungen der Sozialversicherungsbeiträge etc.) 
  • für ein Belastungsmoratorium (die vorübergehende Aussetzung belastender Regelungen) 
  • für mehr Tempo beim Bürokratieabbau (ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz, damit Betriebe spürbar entlastet werden) 
  • für Maßnahmen, um die dramatisch steigenden Energiepreise zu reduzieren und somit Verbraucher und Betriebe zu entlasten
  • das Bäckerhandwerk im Rahmen der Gasnotfallversorgung und im Fall von Gasknappheit als systemrelevant einzustufen 

Ein vorläufiger Erfolg stellte sich ein: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bewertete in einem Verbändegespräch vom 31. März 2022 die Lebensmittelproduktion als systemrelevant. Das gilt auch beim Thema Gasversorgung: Im Bund-Länder-Beschluss vom 7. April 2022 betonten der Bundeskanzler und die Regierungschefs der Bundesländer, dass die Energieversorgung gesichert werden müsse, und Energie für private Haushalte und die Wirtschaft bezahlbar bleiben müsse. Zudem maßen sie der „heimischen Ernährungs- und Landwirtschaft“ eine „strategische Bedeutung“ bei, „denn auch hierzulande gilt es, den starken Anstieg der Lebensmittelpreise abzufedern“. Darüber hinaus beschloss die Politik mehrere Entlastungspakete zugunsten der Verbraucher und Betriebe.

Versorgung mit Gas im Fall von Gasknappheit sichergestellt?

Regionale Gasversorger begannen vereinzelt damit, Betriebe schriftlich zu kontaktieren, Fristen zu setzen und Angaben für den Fall einer Gasmangellage anzufordern. Die Gasversorger beabsichtigten damit, Maßnahmen zur Gasreduzierung im Fall von Gasknappheit vorzubereiten. Um ein mögliches Abschalten zu vermeiden, sprach der Zentralverband folgende Empfehlung aus: Die Mitgliedsbetriebe sollen sich schriftlich an die Gasversorger wenden und sie darauf hinweisen, was sie schutzwürdig macht, und sie sollen dazu ein vom Zentralverband bereitgestelltes Musterschreiben verwenden. Die regionalen Gasversorger behaupteten im Widerspruch zur Politik, dass die Abnahmestelle des Betriebes keinen vorrangigen Schutz genieße und im Fall einer Gasmangellage von Gasreduzierung betroffen sein könne. 

Der Zentralverband wandte sich deswegen an die Bundesnetzagentur und wies darauf hin, dass Betriebe zu schützen sind. Er bat darum klarzustellen, dass Betriebe des Bäckerhandwerks auch im Fall einer Gasmangellage als systemrelevant eingestuft und mit Gas weiterbeliefert werden. Es stellte sich ein Teilerfolg ein: Am 17. Mai 2022 erklärte der Chef der Bundesnetzagentur Klaus Müller in einem Interview mit der FAZ, dass sich Gewerbebetriebe wie beispielsweise Bäckereien und Supermärkte mit einem Verbrauch bis zu 1,5 Mio. kWh Gas im Jahr keine Sorgen machenmüssten, falls die Notfallstufe ausgerufen würde. Auch größere Bäckereien mit einem höheren Verbrauch würden bei der Gasversorgung priorisiert behandelt werden. Laut Angaben der Bundesnetzagentur ist die Gasversorgung im Notfall von sechs Kriterien abhängig. Ein Kriterium ist die Bedeutung des Unternehmens für die Versorgung der Allgemeinheit. Aus unserer Sicht ist dies bei Bäckereien stets zu bejahen, weil sie Grundnahrungsmittel produzieren und systemrelevant sind. Unser Zentralverband geht nach diesem Interview der Bundesnetzagentur davon aus, dass sich unsere Mitgliedsbetriebe im Notfall keine Sorgen zu machen brauchen, und kommunizierte dies wiederholt per bundesweiten Newsletter 

Auch zum Ende des Berichtszeitraums geht der Zentralverband weiterhin davon aus, dass das Wort des Chefs der Bundesnetzagentur, Michael Müller, zählt. Aktuell, Mitte Juli 2022, herrscht allerdings große Unsicherheit, was im Falle einer Gasknappheit tatsächlich passieren wird. Der Zentralverband fordert daher, dass sich die Politik klar positioniert, damit Betriebe sicher planen können. Wie andere Wirtschaftsverbände vertreten wir die Meinung, dass die Lebensmittelproduktion systemrelevant ist und deswegen bevorzugt beliefert werden muss. Die gesetzlichen Regelungen, die besagen, dass im Fall von Gasknappheit Privathaushalte zu bevorzugen sind, müssen angepasst werden. Mit dieser Forderung haben wir uns u. a. an den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und die Presse gewandt. Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck hat sich am 12. Juli 2022 dieser Forderung angeschlossen und stellt die vorgesehene Priorisierung von Verbrauchern bei Gasknappheit infrage.