03.2

Lebensmittelrecht: Systemrelevanz der Bäcker als Maß für neue Regeln

Auch im Berichtszeitraum blieb es ein Kraftakt, die Pandemie zu bewältigen. Aber auf die Handwerksbäcker war Verlass: Bäckereibetriebe, von denen die allermeisten Familienbetriebe sind, stellten die Versorgung der Menschen in Deutschland sicher. Mit den strikten Hygienemaßnahmen und dem eingeschränkten Sortiment haben sie sich inzwischen arrangiert. Gleichzeitig waren sie quasi täglich der Unsicherheit ausgesetzt, dass politische Vorschriften verschärft, Gesetze geändert oder ihnen neue Pflichten aufgebürdet werden könnten. Denn die Infektionszahlen stiegen mitunter stark und man erlangte immer neue Erkenntnisse über das Virus. In diesem Auf und Ab setzte sich der Zentralverband unablässig für die Belange der Betriebe ein. Zudem behielt er im Blick, welche Regelungen der Gesetzgeber abseits von Corona plante. So offenbarte die Krise auch eine Stärke der Backbranche: In der Krise steht das Bäckerhandwerk zusammen und löst Probleme, anstatt sich zu beklagen.

Systemrelevanz der Bäcker: Maßstab für neue Regeln

Schon zu Beginn der Pandemie 2020 hatte die Bundesregierung feststellt, dass das Bäckerhandwerk für die sichere Versorgung der Menschen unverzichtbar ist – wir sind als Teil der kritischen Infrastruktur systemrelevant. Dieses Bekenntnis nutzte der Zentralverband im Berichtszeitraum konsequent als Messlatte für politische Vorhaben. Sobald der Gesetzgeber auch nur den Anschein erweckte, bei der Planung neuer Regelungen die Interessen der Bäcker zu übergehen, schritt der Zentralverband ein. Mit Erfolg – etwa bei der Gewährung der staatlichen November- und Dezemberhilfe oder bei der Frage, ob Lebensmittel auch künftig als lose Ware abgegeben werden dürfen. Der Zentralverband wird nicht nachlassen, für die Bedeutung des Bäckerhandwerks gegenüber der Politik einzustehen. Denn das Bekenntnis von ganz oben ist da und verdient, schließlich haben es sich die Handwerksbäcker über Jahrzehnte hinweg hart erarbeitet. Aber dass die Politik bei ihrer Würdigung des Bäckerhandwerks bleibt, ist alles andere als selbstverständlich.

Zentralverband bündelte Kräfte für Gastro-Betriebe

Wegen der wiederkehrenden Lockdowns sahen sich viele Cafébetriebe im Berichtszeitraum in großen Schwierigkeiten. Um die Gastronomie in Deutschland schnell wieder zu öffnen, stellte der Zentralverband klare Forderungen an die Politik. Dafür bündelte er seine Kraft mit der des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA), des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) und des Großhandelsverbandes FOODSERVICE. Als ein Ergebnis wurde etwa die Mehrwertsteuersenkung länger beibehalten als ursprünglich geplant. Mehr dazu lesen Sie hier. Zudem forderten die Verbände einen Rettungsschirm für existenziell bedrohte Cafébetriebe.

Versorgen und schützen blieben weiterhin Top-Priorität

Spätestens seit den Virusvarianten im Frühjahr 2021 war klar, was sich schon mit den steigenden Infektionszahlen seit Herbst angekündigt hatte: Masken sind Pflicht für Mitarbeiter in Bäckereibetrieben. Damit erübrigten sich Forderungen nach Plexiglas-Visieren, die das Atmen erleichtern und etwas Freiheit beim Arbeiten gewähren. Die Diskussion fand 2021 ein Ende.

Und außer Corona? … Die Betriebe müssen sich auf neue Regeln zur Müllvermeidung einstellen

Unabhängig von Corona blieb für das Bäckerhandwerk die Vermeidung von Abfall ein zentrales Thema. Denn die Politik hat sich vorgenommen, Einwegkunststoffe national und europaweit abzuschaffen. Im Sommer 2021 wurde dafür das Verpackungsrecht geändert. Für Bäckereibetriebe ändert das einiges.

#1 Plastiktüten sind ab 2022 verboten

Ab dem 1. Januar 2022 sind Einwegplastiktüten mit einer Wandstärke unter 50 Mikrometer verboten. Dickere Plastiktüten bleiben erlaubt, weil sie mehrfach verwendet werden können. Ebenfalls erlaubt bleiben Hemdchenbeutel, die zum Beispiel im Gemüsehandel verwendet werden, sowie Tüten für Fertigverpackungen. In Bäckereien dürfte es durch das Verbot schwieriger werden, etwa Brot mit kantiger Kruste zu verpacken.

#2 Strohhalme und Plastikbesteck sind seit Juli 2021 verboten

Zudem dürfen seit Juli 2021 bestimmte Produkte aus Einwegkunststoff nicht mehr in Verkehr gebracht werden, auch solche aus abbaubarem Biokunststoff. Im Bäckerhandwerk betrifft das vor allem Strohhalme, Einwegbesteck und -geschirr sowie Becher aus Styropor. Restbestände dürfen noch aufgebraucht werden, sofern sie vor dem 3. Juli 2021 in Verkehr gebracht wurden.

#3 Kaffeebecher seit Sommer 2021 nur noch mit Kennzeichnung

Andere Einwegprodukte dürfen ab Juli 2021 nur noch dann in Verkehr gebracht werden, wenn sie speziell gekennzeichnet sind. Für die Betriebe des Bäckerhandwerks gilt das insbesondere für Einweggetränkebecher. Alle kunststoffhaltigen Becher, die seit dem 3. Juli 2021 in Verkehr gebracht werden, müssen gekennzeichnet werden. Auch hier dürfen die Betriebe bereits beschaffte Restbestände aufbrauchen.

#4 Mehrweg-Alternative für Speisen und Getränke

Ab 2023 müssen Betriebe für Außer-Haus-Speisen und -Getränke immer eine Mehrwegvariante anbieten. Das bedeutet: Verkauft eine Bäckerei dann zum Beispiel einen Kaffee im Pappbecher, muss sie Kunden offerieren, den Kaffee zum gleichen Preis auch im Mehrwegbecher kaufen zu können. Es wird nicht ausreichen, Kaffee in einen mitgebrachten Becher einzufüllen. Für Papiertüten gilt die Regel nicht. Eine Ausnahme gibt es zudem für kleine Betriebe. Der Zentralverband macht sich stark dafür, dass diese auch für Bäckereien greifen wird. Noch muss das Bundesumweltministerium allerdings klären, inwiefern die Ausnahme auf Unternehmensfilialen angewandt werden kann.

#5 Neue Nachweispflichten bei Transportverpackungen

Ab 1. Januar 2022 können Transportverpackungen dem Lieferanten wieder mitgegeben werden, etwa beim nächsten Liefertermin. Darüber müssen die Lieferfirmen ihre Kunden informieren und nachweisen, wenn eine Rücknahme erfolgt ist.

#6 Neue Registrierungspflichten für Serviceverpackungen

Ab 1. Juli 2022 müssen sich alle Nutzer von Serviceverpackungen registrieren und erklären, dass es sich dabei um vorlizensierte Serviceverpackungen handelt. Im Bäckerhandwerk bezieht sich das etwa auf Bäckertüten und Brotpapier.

#7 Pfandpflicht für alle Plastikflaschen

Ab 1. Juli 2022 wird die Pfandpflicht auf kunststoffhaltige Einweggetränkeflaschen, Getränkebehältnisse und Getränkedosen erweitert. Auch Flaschen oder Dosen, die mit Fruchtsaft oder Milch gefüllt sind, müssen als Einwegpfand zurückgenommen werden. Für Betriebe bringt das neue Anforderungen an die Hygiene mit sich.

Das ist wohl nur der Anfang

Diese Neuregelungen sind wahrscheinlich nur ein erster Schritt zu weiteren Pflichten in der Müllvermeidung. So weit, so umweltschonend. Aber wo genau verläuft die Grenze zwischen „absolut verbotenen“ und „gerade noch geduldeten“ Einwegprodukten? Die Antworten bleiben diffus. Stattdessen werden Betrieben neue Pflichten auferlegt, ohne eindeutige Alternativen anzubieten. Das ist nicht nachvollziehbar. Der Zentralverband wird sich auch künftig dafür einsetzen, die Belastungen für das Bäckerhandwerk so niedrig wie möglich zu halten. Zudem muss sich auch das Kundenverhalten ändern, etwa hin zur Nutzung von Mehrwegbechern.

Zentralverband entwickelt Ideen gegen Lebensmittelverschwendung

Neben weniger Kunststoffmüll sollen künftig auch immer weniger Lebensmittelabfälle entstehen. Konkret soll sich bis 2030 die Lebensmittelverschwendung in Deutschland halbieren. Wie, das hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) schon 2019 in einem Strategiepapier skizziert. Seither beteiligen sich der Zentralverband und weitere Akteure aus Politik und Lebensmittelwirtschaft an dem Prozess. Gemeinsam entwickeln sie Ideen, wie Lebensmittelabfälle entlang der gesamten Lebensmittelversorgungskette reduziert werden können. Auch die Datenlage soll sich verbessern. Die Ideenfindung soll Mitte 2022 abgeschlossen sein. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnete der Zentralverband im Februar 2021. Spannend an der Strategie des BMEL ist der Fokus, den die Bundesregierung bei der Reduzierung der Lebensmittelverschwendung setzt: Obwohl mehr als 50 Prozent der Lebensmittelverschwendung in Privathaushalten stattfindet, werden verstärkt Unternehmen in die Pflicht genommen. Diese Rechnung kann nicht aufgehen. Darüber hinaus übersieht das BMEL, dass auch der Staat selbst eine Menge beitragen könnte. Denn überdehnte Vorgaben und ein restriktiver Vollzug begünstigen Lebensmittelverluste erheblich.

Kennzeichnung von Lebensmitteln: Der „Nutri-Score“ ist da

Im November 2020 wurde der so genannte Nutri-Score eingeführt. Das ist eine Farb- und Buchstabenskala, mit der die Nährwertqualität von Lebensmitteln gekennzeichnet werden kann, ähnlich einer Ampel. Lebensmittelunternehmen, also auch Bäckereibetrieben, ist es seither freigestellt, die Kennzeichnung mit dem Nutri-Score vorzunehmen. Vorgeschrieben ist sie nicht. Für Handwerksbäckereien dürfte die Verwendung wohl weniger in Frage kommen. Einerseits sind das Registrierungsverfahren und die Berechnung vergleichsweise aufwendig und in der nicht standardisierten Herstellung auch schwerlich einzuhalten. Andererseits ist eine Kennzeichnung loser Ware mit dem Nutri-Score nach der geltenden Markensatzung nicht gestattet.

Neue Leitsätze für Brot und Kleingebäck

Seit Mai 2021 gelten neue Leitsätze für Brot und Kleingebäck. Die bisherigen waren zuvor rund 30 Jahre lang unverändert geblieben. Damit die Überarbeitung im Interesse der Bäcker ausfiel, vertrat der Zentralverband die Bäckereibetriebe mit starker Stimme. Hier die Neuerungen zusammengefasst: Ab jetzt dürfen in allen Brotsorten bis zu 20 Prozent Altbrot mitverwendet werden. Der Industrie wird es zudem schwerer gemacht, mit handwerklichen Abbildungen zu werben. Die neuen Begriffe „traditionelle Rezeptur“ und „traditionelle Herstellung“ werden eingeführt und an Kriterien geknüpft, die in der Regel nur Handwerksbäcker einhalten können. Außerdem wurden Brotbezeichnungen überarbeitet und erweitert. Auch der Begriff „Holzofenbrot“ wurde ausgedehnt, und die Benutzung eines traditionellen Holzofens darf weiterhin hervorgehoben werden. Ebenfalls neu sind die Leitsätze für Puddinge, süße Desserts und verwandte Erzeugnisse. Dort findet sich nun ebenfalls der Begriff der „traditionellen Herstellung“. Eine digitale Übersicht über die neuen Leitsätze für Brot und Kleingebäck bietet das Deutsche Brotinstitut.

Auch auf europäischer Ebene konsequent im Einsatz

Gerade während Corona arbeitete der Zentralverband international mit Verbänden aus ganz Europa zusammen. Er ist Mitglied im europäischen Bäckerverband „European Confederation of National Bakery and Confectionery Organisations“, kurz CEBP, sowie mittelbares Mitglied im europäischen Dachverband für den Mittelstand SMEUnited. Im Auftrag von SMEUnited entsandte der Zentralverband im Berichtszeitraum ein Mitglied in die Arbeitsgruppe des so genannten Projekts „FoodEuro“. Im Auftrag der EU-Kommission soll „FoodEuro“ die Kosten und Margen auf einzelnen Stufen der Lebensmittelkette sowie in verschiedenen Bereichen und Regionen feststellen.