03.6

Bürokratieabbau: Problem drängt, aber die Bundesregierung enttäuscht

Die bürokratische Belastung der Bäckereibetriebe in Deutschland ist nicht mehr hinnehmbar. Sie hat unter der Großen Koalition nicht abgenommen, sondern ist sogar angewachsen. Die überbordende Belastung führt mittlerweile sogar dazu, dass Betriebe aufgeben oder keine Nachfolge mehr finden. Aufgrund dessen nimmt in Deutschland die Bereitschaft stetig ab, Unternehmen zu gründen, weiterzuführen oder zu übernehmen. Das schwächt den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Die Lage ist sehr ernst, aber die Politik enttäuscht. Bereits vor dem Berichtszeitraum waren von der Politik drei Bürokratieentlastungsgesetze verabschiedet worden, die letztlich keine spürbare Entlastung für die Betriebe mit sich brachten. Der Zentralverband setzte sich daher intensiv für ein weiteres Bürokratieentlastungsgesetz ein.

Bundesregierung beschloss Maßnahmen zu spät

Wie es zunächst schien, mit Erfolg: Im August 2020 versprach die Große Koalition, noch in der aktuellen Legislaturperiode ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen. Dazu reichte der Zentralverband im Oktober 2020 fast 50 konkrete Vorschläge bei den zuständigen Bundesministerien und Politikern der Großen Koalition ein. Klar und deutlich appellierte er wiederholt an die Koalition, eine gemeinsame Kraftanstrengung zu unternehmen, um die versprochenen Entlastungen auf den Weg zu bringen. In der Folge beschloss das Bundeskabinett im März 2021 tatsächlich 22 Maßnahmen, die auch mehrere Forderungen des Zentralverbands aufgriffen: Zum Beispiel einen Rechtsanspruch auf verbindliche Auskünfte der Finanzämter, zeitnahe Betriebsprüfungen, einheitliche Umlagesätze für Kranken- und Mutterschutzumlagen, eine Verbesserung der Regelungen für Betriebsübergaben und -nachfolgen sowie weniger Statistikpflichten und keine Mehrfacherhebung von Daten. Doch die Zeit rannte dem Gesetzgeber davon…

… sodass aus dem Beschluss kein Gesetz werden konnte

Rein zeitlich war es nicht mehr möglich, die beschlossenen Maßnahmen noch in der laufenden Legislaturperiode als Gesetz zu verabschieden. Außerdem beschränkte sich der Beschluss an zahlreichen Stellen auf allgemeine Ankündigungen oder Prüfaufträge. Darüber hinaus fehlten im Beschluss wichtige Maßnahmen für einen effektiven Bürokratieabbau. Dazu zählten unter anderem das vom Zentralverband geforderte Belastungsmoratorium, die Umwandlung der aktiven Belegausgabepflicht in eine passive Belegausgabepflicht auf Kundenwunsch und die Umsetzung der konkreten Empfehlungen, die zuvor der Normenkontrollrat Baden-Württemberg zur Entlastung des Bäckerhandwerks vorgelegt hatte. Enttäuschend war überdies, dass das Bundesarbeitsministerium auch die vom Zentralverband geforderte Änderung des Arbeitszeitgesetzes ablehnte. Mehr zu den Entwicklungen in Sachen Arbeitszeitgesetz lesen Sie hier.

Die Lage für Betriebe verschärft sich

Parallel beschloss die Bundespolitik im Berichtszeitraum mehrere neue Regelungen, die die Betriebe zusätzlich belastet und ihren Aufwand vergrößert haben. Das Bundeskabinett beschloss in derselben Sitzung, in der es Entlastungen verabredete, Unternehmen unter Androhung von Geldbußen zu verpflichten, Arbeitnehmern ein bis zwei Corona-Tests pro Woche zur Verfügung zu stellen und dies für Behörden zu dokumentieren. Kein Wunder, dass Medien die Vorgehensweise der Bundesregierung beim Bürokratieabbau als „Satire“ bezeichneten.

Fazit: Das zögerliche, teils ablehnende Vorgehen der Großen Koalition beim Bürokratieabbau ist in keiner Weise ausreichend, sondern unverständlich, unbefriedigend und enttäuschend. Aktuell brauchen die Betriebe spürbare Entlastungen mehr denn je.

Der Zentralverband erwartet daher, dass die neue Bundesregierung unverzüglich, entschlossen und mit höchster Priorität überzogene Bürokratie abbaut, alle relevanten Gesetze kritisch prüft und ihre Mittelstandspolitik in diesem Bereich von Grund auf ändert.

Ein Appell an die neue Bundesregierung

Die Bäcker fordern, dass

  • die vorliegenden Vorschläge für Entlastungen des Bäckerhandwerks kurzfristig und konsequent in die Tat umgesetzt werden,
  • das Prinzip „One in, two out“ konsequent gilt und eingehalten wird,
  • alle Ministerien KMU-Belastungstests anwenden,
  • bestehende Belastungen spürbar gesenkt und neue strikt vermieden werden,
  • die Qualität der Rechtsetzung verbessert wird und
  • die kleinbetrieblichen Strukturen des Handwerks nach dem europäischen Prinzip „think small first“ besser berücksichtigt werden.

Damit das klappt, muss der Nationale Normenkontrollrat dazu befugt werden, Gesetzesvorhaben kurzfristig zu stoppen – vorübergehend oder auch ganz. Etwa dann, wenn absehbar ist, dass sie die Regel „One in, two out“ brechen oder in der Gesamtschau Belastungen für eine Branche mit sich bringen würden, die dem Ziel des Bürokratieabbaus zuwiderlaufen. Als Sofortmaßnahme müssen bürokratisch überbordende Pflichten, wie etwa zahlreiche Dokumentationsvorschriften, im Rahmen eines Belastungsmoratoriums kurzfristig ausgesetzt und dann konsequent gestrichen werden. Das würde Betrieben die dringend notwendige Entlastung verschaffen. Außerdem wäre dies ein kostenloses Konjunkturprogramm, das die neue Bundesregierung kurzfristig auf den Weg bringen könnte und sollte.