02.4

Ausbildung: Mangel plus Corona? Zeit für neue Wege

Den Bäckern ging es im Berichtszeitraum so wie allen anderen Handwerksbereichen auch: Der Azubi- und Fachkräftemangel blieb spürbar. Zwar ermöglichte das Bäckerhandwerk im Jahr 2019 die Ausbildung für 14.773 Nachwuchsbäcker und angehende Bäckereifachverkäufer. Aber das waren 7,8 % weniger als im Vorjahr. Das lag unter anderem daran, dass es im selben Jahr auch weniger Schulabgänger gab. Allerdings war es ein gutes Zeichen für die Ausbildungsqualität im Bäckerhandwerk, dass die Zahl der vorzeitig aufgelösten Ausbildungsverträge um 12,1 % sank.

Doch Abbrüche hin, Mangel her – 2020 setzte der Lockdown inmitten der Bewerbungszeit dem Nachwuchsmangel noch einen drauf. In dieser Zeit bewiesen der Zentralverband und seine Werbegemeinschaft eindrucksvoll, dass sie die Nachwuchssicherung auch unter widrigsten Bedingungen im Fokus behalten.

Meilenstein #1:

Digitale Ausbildungsoffensive, Prüfungen unter Corona-Bedingungen

Durch den Lockdown in der ersten Jahreshälfte 2020 fielen Praktika und Ausbildungsmessen aus, persönliche Gespräche waren kaum möglich. Wie sollten Betriebe und potenzielle Bewerber unter diesen Bedingungen zusammenfinden? Der Zentralverband und die Werbegemeinschaft entwickelten darauf eine Antwort und starteten in Nullkommanichts eine digitale Ausbildungsoffensive 2020. Mehr dazu lesen Sie hier. Zusätzlich dazu beantwortete der Zentralverband in einem eigens dafür angelegten Bereich auf www.baeckerhanderk.de kompakt und aktuell die drängendsten Fragen rund um die Aus- und Weiterbildung während der Pandemie.

Hinzu kam in den Wochen nach dem Lockdown eine weitere Herausforderung: Denn ausgerechnet in der unsicheren Corona-Zeit zwischen April und August fanden die meisten Abschluss- und Gesellenprüfungen im Bäckerhandwerk statt. Aber was würden die Behörden sagen? Welche Auflagen zum Infektionsschutz müssten eingehalten werden? Und stünden dafür überhaupt die notwendigen Ressourcen zur Verfügung? Fragen wie diese brannten Azubis und Betrieben unter den Nägeln. Letzten Endes arbeiteten der Zentralverband und alle Akteure der beruflichen Bildung maximal engagiert an Lösungen und meisterten die Ausnahmelage.

Doch auch über Corona hinaus erzielte der Zentralverband im Berichtszeitraum Erfolge für die Sicherung des Nachwuchses im Backhandwerk.

Meilenstein #2:

Die EU setzt auf Bildungs-Know-how des Zentralverbandes

Um die Anforderungen des Arbeitsmarktes zu meistern, erhielt der Zentralverband 2019 zusammen mit der Bundesakademie in Weinheim den Zuschlag für das Programm „Erasmus+“ der Europäischen Union. Es unterstützt strategische Partnerschaften zum Austausch vorbildlicher Berufsbildung, um die Berufsausbildung attraktiver zu machen. 2020 und 2021 setzt die EU dafür auf das Know-how des deutschen Bäckerhandwerks. Unter dem Motto „talents4bakery“ geht es darum, Ausbildern und Lehrkräften im europäischen Bäckerhandwerk neue Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, den Austausch von Wissen zu verbessern, gemeinsam innovative Ideen, Methoden und Fortbildungskonzepte für die Berufsausbildung zu entwickeln und grenzüberschreitende Netzwerke zu stärken. Am Projekt beteiligt sind auch Partner aus Belgien, Spanien, Österreich und der Türkei. Das erste Treffen der Projektpartner fand im Februar 2020 in Weinheim statt.

Appelle an die Politik: berufliche Bildung stärken, Azubitickets einführen, ÜLU fördern

Außerdem hat der Zentralverband im Berichtszeitraum auch die Politik wiederholt und klar dazu aufgefordert, die personelle Lage in den Betrieben zu verbessern und Fehler in der Bildungs- und Familienpolitik zu korrigieren. Sein Credo: Die berufliche Bildung muss von der Bundesregierung vergleichbar unterstützt und gefördert werden wie die akademische!

Darüber hinaus machte sich der Zentralverband auf Länder- und Bundesebene für die Einführung eines neuen, flächendeckenden Azubitickets stark. Schließlich sind viele Azubis auf den öffentlichen Nah- und Fernverkehr angewiesen und müssen längere Strecken zu dem Ausbildungsbetrieb, den Berufsschulen oder den überbetrieblichen Bildungszentren zurücklegen. Gemeinsam mit dem Deutschen Handwerkskammertag erarbeitete der Zentralverband im Berichtszeitraum daher das Argumentationspapier „Mobilitätsförderung durch Azubiticket“, das klarmacht, wie Azubis regional so mobil sein könnten, wie es eine zeitgemäße Ausbildung erfordert.

Ebenfalls auf Bundes- und Landesebene setzte sich der Zentralverband mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) dafür ein, die so genannte ÜLU langfristig stärker zu fördern. ÜLU steht für „überbetriebliche Lehrlingsunterweisung“. Sie bietet allen Azubis eine Qualifizierung aufbauend auf Betrieb und Berufsschule in knapp 600 handwerklichen Bildungsstätten – auf dem neuesten Stand der Technik und unabhängig von Ort, Größe und Spezialisierung des Ausbildungsbetriebes. Das macht die ÜLU zum gelebten Technologietransfer. Der Zentralverband forderte, ausbildende Betriebe effektiv und dauerhaft zu entlasten, ihr gesamtwirtschaftliches Engagement zu honorieren und die ÜLU öffentlich stärker mitzufinanzieren.

Zugewanderte Fachkräfte fördern, Ausbildung modernisieren

Um dem Nachwuchs- und Fachkräftemangel im Bäckerhandwerk zu begegnen, arbeitet der Zentralverband zudem seit 2020 an einem Pilotprojekt zur Förderung regulärer Arbeitsmigration. Das Projekt läuft gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und der Bundesagentur für Arbeit. Die Basis dafür bildet das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das im Berichtszeitraum in Kraft getreten ist, genau gesagt zum 1. März 2020. Es soll der Wirtschaft helfen, den Fachkräftebedarf zu decken, regelt etwa Vorgaben zur Aufenthaltserlaubnis neu und ermöglicht Zuwanderern unter bestimmten Voraussetzungen den Zugang zu allen Berufen, anstatt wie bisher nur zu Engpassberufen. Das Pilotprojekt wurde wegen Corona unterbrochen und wird voraussichtlich 2021 fortgesetzt.

Gemeinsam mit dem ZDH, den Verbänden des Fleischerhandwerks und dem Deutschen Konditorenbund machte sich der Zentralverband auch für eine modernere Ausbildungsverordnung für angehende Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk stark. Ausbildungsinhalte müssen modernisiert und neue Möglichkeiten für Zusatzqualifikationen sollen eingeführt werden.

Darüber hinaus wurde auch 2019 die Deutsche Meisterschaft der Bäckerjugend in Weinheim von einem Filmteam begleitet. Drei Youtube-Filme beschreiben die Meilensteine der Teilnehmer und motivieren den Nachwuchs in besonderem Maße.

Mehr über die digitale Variante des Berichtshefts, die der Zentralverband im Berichtszeitraum entwickelte, lesen Sie hier.